Urstoffe und andere Raritäten

Urstoffe und andere Raritäten

Seit mehr als 25 Jahren backe ich mit Dinkel. Mit der Zeit habe ich gelernt, dass es solchen „Dinkel“ und anderen „Dinkel“ gibt und man ihn nicht mehr automatisch mit Urgetreide gleichsetzen kann, weil es Sorten gibt, in die Weizen eingekreuzt wurde.
Bei der Auseinandersetzung mit der Frage, was ist ursprünglicher Dinkel und wo kriege ich ihn her, was gibt es denn sonst noch für Alternativen zum hochgezüchteten Industrieweizen, landete ich zunächst bei Emmer, Einkorn und Kamut. Aber jenseits davon gibt es auch noch viel anderes Interessantes.

Bei Familie Schulze Westerhoff im Münsterland zum Beispiel. Meine Anfrage, ob ich denn vorbeikommen, die Mühle anschauen und Mehl direkt mitnehmen könnte, weil ich zufällig gerade in Münster sei, wurde schnell und freundlich mit „ja, gerne, wann wollen Sie den vorbeikommen?“ beantwortet. Und genau so freundlich wurde ich empfangen und mit allen gewünschten Informationen versorgt.

Auf dem Hof wird seit Generationen, genau seit 1200, Landwirtschaft betrieben und ursprünglich vor allem Futtergetreide angebaut. Ein Projekt der Landwirtschaftskammer, in dem Getreideerzeuger und -Verarbeiter zusammengebracht werden sollten, führte dann zum Anbau von Emmer, den ein Bäcker, der das Getreide selbst mahlt, abgenommen hat. Dem Emmer folgte der Dinkel und dann Champagnerroggen und Bordeauxweizen. Champagnerrogen stand schon länger auf meiner Wunschliste und mit dem Bordeauxweizen wage ich den Versuch, nach Jahrzehnten der Abstinenz mal wieder Weizen zu verarbeiten. Vielleicht sind die 2,5kg Vollkornmehl, die ich bei meinem Besuch erstanden habe aber schon wieder die letzte Gelegenheit?!

Der Bordeauxweizen hat deutlich kleinere Körner als „normaler“ Weizen, der Ertrag ist also, bei gleichem Aufwand geringer. Den dadurch höheren Preis mag aber mal wieder keiner bezahlen, so dass es bereits Überlegungen gibt, den Anbau wieder einzustellen. Vielleicht kann die ambitionierte Hobbybäckgergemeinde eine Rettungsaktion starten und den Erhalt des Bordeauxweizens sichern? Familie Schulze Westerhoff baut nämlich nicht nur Urgetreide, das sie „Münsterländer Urstoffe“ nennt, an sondern vermahlt es seit einigen Jahren auch selbst. Neben Vollkornmehlen sind auch Auszugsmehle, Dunst und Grieß möglich. Das alles geschieht mit großer Begeisterung und viel Enthusiasmus. Auf Anfrage per mail wird auch versandt.

 https://www.schulzewesterhoff.de



die Schulze Westerhoff´sche Mühle

 

Daneben gibt es auf dem Hof auch noch das Bunte Bentheimer. Eine Schweinerasse, die beinahe schon ausgestorben wäre, ist sie dem modernen Verbraucher doch einfach zu fett. Dabei kann man aus dem weißen, festen Rückenspeck so feine Sachen machen, Lardo zum Beispiel oder Schmalz… und für ein schön durchwachsenes Kotelett vom Grill lass ich ohnehin jedes Filet links liegen.

So ein Schweineleben…

Von Münster ging es dann weiter an die Nordsee. Das gemietete Ferienhäuschen ist zwar sehr gut ausgestattet, an Brotbacken hat dabei aber niemand gedacht. Der hiesige Bäcker backt ordentliches Brot, aber eben keines mit wilden Hefen und Urgetreide. Also habe ich wild drauf los improvisiert und aus am Feldrand aufgelesenen Äpfeln und dem Bordeauxweizenvollkornmehl, das ich bei Frau Schulze Westerhoff gekauft hatte, einen Starter angesetzt und mit dem dann einen Vorteig.

Den Hauptteig von Hand geknetet, Schüttwasser auf Sicht zugegeben und das Vollkornbrot dann in einem Schmortopf gebacken. Die Krume war ein bisschen sehr unregelmäßig, das ist sicher dem noch jungen Starter geschuldet. Für ein reines VK-Brot ist sie aber gut gelockert und bei den Bedingungen, unter denen es entstanden ist, bin ich sehr zufrieden damit. Reproduzierbar ist das eher nicht, ich werde das Brot deshalb zuhause unter kontrollierten Bedingungen nochmal backen und  dann ein ’“richtiges“ Rezept hier einstellen.



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